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Im Jahre 1930 suchte der Landwirt Paul Gerhard Goertz (1887 - 1945), der damals Pächter der 1050 ha großen Domäne Langenau, Kreis Rosenberg war - der Pachtvertrag lief bis 1948 - ein Gut für seinen damals erst 2jähringen Sohn Adalbert zu kaufen. Er stammte aus dem Kreise Graudenz in Westpreussen, wo er sein Gut Schwetz seit 1911 noch besaß, das er aber nicht verkaufen wollte, um es dem Deutschtum zu erhalten. Deutsche Käufer erhielten im Falle eines Verkaufs nicht die "Auflassung".
So ließ er seinen zweitältesten Sohn Friedrich (1916 - 1944) dort aufwachsen unter der Obhut seiner Eltern. Friedrich sollte Schwetz erben. Um die Zwangssiedlung von Schwetz zu mildern , forstete er einige hundert Morgen Sandboten auf, mußte aber 400 Morgen für polnische Siedlungen abgeben für Obligationen, die wertlos waren. Da er unter dem polnischen Regime nicht leben wollte, kaufte er das 1047 ha große Gut Arnstein, Kreis Heiligenbeil im Jahre 1918 und überließ dieses seinem minderjährigen Sohn Günther (1920-1943). Da nach der Volksabstimmung 1918-1920 die Korridorgrenze festgelegt wurde, bemühte er sich um die 1050 ha große Domäne Langenau, damit er im Gebiet des sogenannten "kleinen Grenzverkehrs" wohnen konnte, um im Bedarfsfalle jederzeit ohne Paß- und Visumschwierigkeiten nach Schwetz fahren zu können, was auch gelang. Da die bisherige Pächterin der Domäne Langenau noch bis 1922 ihren Pachtvertrag (mit dem Staate Preußen) laufen hatte, wurde er von 1920 bis 1922 ihr Generalbevollmächtigter, und erst ab 1922 begann sein eigener Pachtvertrag mit dem Staat. Die Jahre der Inflation waren der Landwirtschaft günstig, so daß viele ihre Schulden mit billigem Geld abgezahlt hatten, was auch in Schwetz ganz und in Arnstein teilweise gelang. Am 1.Januar 1925 war die Währungsreform. Die Umschuldungen bewirkten einen Niedergang der Landwirtschaft, die zu Zwangsversteigerungen führten. Es bildete sich die "Schwarze Fahne" (der Schuldner, die Drohungen an Käufer richtete, weil letztere angeblich die Lage schamlos auszunutzen suchten). Da die "Bank der Landschaft" und die "Treuhandstelle für Umschuldungskredite" (in Königsberg) viele bankrotten Güter am Hals hatte, waren diese interessiert an Käufern, welcher ihrer Meinung nach die Gewähr boten, nicht selber gleich bankrott zu werden.
Zu diesen Käufern rechneten sie Paul Gerhard Goertz in Langenau. Er war 1930 im Regierungsbezirk Marienwerder der einzige bei der "Domänenpächter-Kreditbank" unverschuldete Domänenpächter des Kreises Rosenberg und der einzige Landwirt mit erheblicher Einkommenssteuer, RM 15.000 im Jahre 1930. Paul Gerhard Goertz machte der Treuhandstelle jedoch klar, er wolle nur ein Gut kaufen, wo der zwangsversteigerte Eigentümer keine Aussicht mehr hatte, im Falle eines Bankrotts sein Gut zurückzuersteigern. Alle Güter waren ja nicht bankrott.
Einige Gutsangebote wurden daraufhin von der Treuhandstelle wieder zurückgezogen, so z.B. "von Weiss-Plauen". Paul Gerhard Goertz erklärte, er habe kein Interesse daran, einen Berufskollegen von seiner Scholle zu verdrängen. Er fuhr darauf wieder zurück nach Langenau. Im August 1930 erhielt P.G.Goertz von der "Bank der Ostpreußischen Landschaft" ein Telegramm folgenden Inhalts: "Eichmedien zu haben, wenn Interesse. Sofort kommen" . P.G. fuhr sofort nach Königsberg, um sich über die näheren Umstände zu informieren.
Dort erfuhr er, daß das 2800 Morgen große Gut Eichmedien I, Besitzer Friedrich von Redecker, am 23.August 1930 zur Zwangsversteigerung käme. Der Besitzer habe keine Möglichkeit, es zurückzuersteigern.
Zwei Tage später käme auch das 750 Morgen große Nachbargut Gisbertshof, Eichmedien IV, Besitzer Konrad Herrmann, zur Versteigerung, ein ehemaliges Vorwerk von Eichmedien I. Zwei andere Vorwerke, Hermannshof und Neuwiese waren schon 1913 schuldenhalber verkauft worden. Außerdem war der 600 Morgen große Wald ausgeplündert und verkauft, so daß nur ein heruntergekommenes Gerippe des alten Eichmedien übrig geblieben war. Frau von Redecker war fast jeden Tag in Vertretung ihres kranken Mannes auf der Landschaft gewesen. Man habe aber ihr die Aussichtslosigkeit ihres Bemühens nicht ins Gesicht sagen wollen, da Friedrich von Redecker ein Ehrenmann sei.
Nachdem P.G.Goertz sich die Unterlagen angesehen hatte, erklärte er, er werde sich für Eichmedien nur interessieren, wenn er auch Gisbertshof erhalte. Das sei direkt herausgeschnitten und gehöre zusammen. Ohne Gisbertshof würde er Eichmedien I nicht nehmen. Er erhielt von der Treuhandstelle einen Besichtigungsschein und besichtigte Eichmedien. Redeckers fielen aus allen Wolken. Der Sohn Eberhard v.R., der beim Vater wirtschaftete, zeigte das Gut. Die Eltern und auch das Schloß bekam P.G. nicht zu sehen.
Eichmedien ist eine Ordensgründung aus den Jahren zwischen 1392-1396 durch den Kontur von Balga, Konrad von Kyburg. Es gehörte zum Amt Rhein als Zinsdorf. Es erhielt eine Handfeste durch den Nachfolger Konrad von Kyburgs, Ulrich von Jungingen und durch dieselbe 70 Hufen im Jahre 1402, darunter 7 freie Schulzenhufen. Das sind die 63 Zinshufen, welche von 1419 für das Amt Rhein nachgewiesen werden können. Im Jahre 1437 sind davon nur noch 55 Hufen besetzt (vgl.Toeppen). In den Kriegen des Ordens gegen Polen ist die Ordensburg Eichmedien wieder niedergebrannt. Es blieben nur noch die Grundmauern mit der zweigeschossigen Unterkellerung, unterirdische Gänge nach Rastenburg und Rhein, ein Rest der Umfassungsmauer nebst einem Umfassungswall bis heute vorhanden. Geschichtlich nachweisbar ist aus der Zeit des Großen Kurfürsten die Verpachtung der Dörfer Eichmedien und Budzisken im Amt Rhein an den unentbehrlichen Gesandten in Polen, Johann von Hoverbeck für treue Dienste am 3.November 1642 auf 9 Jahre für jährlich 2000 Mark. Die Bedingungen waren die damals üblichen. Eine besondere Vergünstigung bedeutete jedoch
die in dem Vertrag aufgenommene Bestimmung, daß ihm das Gut Slabowen jährlich zwei Fuhren Getreide nach Königsberg zu liefern hatte (StA Königsberg). Der Vertrag wurde am 22.Oktober 1650 unter Erhöhung der Pachtsumme auf 2500 Mark um 9 Jahre verlängert (StA Kbg). Doch bereits 1653 verlieh der Kurfürst dem Hoverbeck die beiden Dörfer Eichmedien und Budzisken zu erblichen Eigentum in Anerkennung, daß er sie 1642 in schlechtem Zustande übernommen und immer die Pacht gezahlt hatte, obwohl er wiederholt von Viehseuchen heimgesucht worden war:
"In Anbetracht er Uns und Unserem Churfürstlichen Hause vielfältig nützliche Dienste über 33 Jahr in öfters schweren Verrichtungen erwiesen hat und noch ferner leisten kann und will." (Amtsgericht Sensburg, Grundbuchakten Eichmedien). Es gelang Hoverbeck von dem Polenkönig eine Eidesentlassung der Stände zu erhalten. In jener Zeit soll Friedrich Wilhelm ihm verheißen haben: Er wolle ihm ein Haus bauen, das auch Kinder und Kindeskinder nicht überleben würden. So erbaute er ihm das Schloß Eichmedien in den Jahren 1653-1660 auf den Grundmauern der abgebrannten Ritterburg, einen schlichten weißen Mittelbarockbau mit klassischen Anklängen. Es hat ein schlichtes Walmdach mit Frontspieß an der Vorderfront, über den Eingängen in Stein gemeißelt die Inschriften:
"Ingregatio hypocritarum erit solitaria; et ignis absumet tentoria corruptorum munere. - Der Heuchler Versammlung wird einsam bleiben und das Feuer wird die Hütten deren fressen, die Geschenke nehmen" (Hiob XIV).
Auf der Parkseite des Gebäudes steht:
"Patienter audi, benigne responde, justi judica: Höre gern, antworte sanft, und heg ein recht Gericht, so schadet in der Welt dir kein Verleumder nicht".
Auf einem der granitenen Steinstufen des Einganges befindet sich ein eingemeißeltes Herz. Daran knüpft sich die Sage; "Das zertretene Herz" (Templin).
Das Eichmedien in unserer Zeit ist ein Gut in Größe von 3500 Morgen mit einer Ringofenziegelei und ein Bauerndorf mit Kirche, Schule, Mühle, Bank, 2 Gasthöfen, 2 Kleinbahnhöfen an der Strecke Rastenburg-Sensburg.
Die Besitzverhältnisse des Gutes waren folgende:
Wie schon erwähnt, erhielt der Gesandte in Polen, Frhr. Johann von Hoverbeck das Gut vom Großen Kurfürsten 1653 laut Grundakten Eichmedien auf dem Amtsgericht Sensburg zu erblichem Eigentum. Nach Parisius blieb diese Familie mit ihrem Namen bis 1797 mit dem Gute Eichmedien verbunden, also 144 Jahre, damals erheblich größer als heute. Bis zum Jahre 1795 waren es die direkten Abkömmlinge des ersten Hoverbeck. Dann war es ein Vetter bis 1797. Sein Bild hing noch zu unserer Zeit als "letzter Hoverbeck" in unserer Eingangshalle. Aus der Geschichte unseres Vorbesitzers, Friedrich von Redecker, ist mir folgendes bekannt und erinnerlich.
Er war der 2.Sohn von Max von Redecker und Hedwig geb.Schaetzel, geb.1877, gest. 18.7.1942 in Gisbertshof. Er war für Landwirtschaft sehr passioniert. Das väterliche Gut erbte sein älterer Bruder Max. Er pachtete von diesem das Vorwerk Gisbertshof (750 Morgen). Die Interessen seines Bruders galten nicht sehr der Landwirtschaft, auch heiratete er eine Frau, der Landinteressen fern lagen. In Gisbertshof wurden Friedrichs Kinder geboren: Ruth, Eberhard, Leonie, Manfred. 1913 wurde Gisbertshof an Konrad Herrmann verkauft und Friedrich von Redecker kauft sich Pustnik und Bothau. Die Familie hatte damals eine Kinderpflegerin in Gisbertshof und später noch in Pustnik: Elisabeth Frank. Diese kam durch Frau Erna von Redecker zu uns nach Powarben, Kreis Königsberg, zu meinen Kindern ins Haus und die noch bis heute mit uns verbunden ist (1979, durch Flucht und Vertreibung).
Als Max von Redecker im ersten Weltkrieg ums Leben kam, verkaufte seine Witwe das Gut an einen Juden, der den Wald abholzte und mit dem Erlös davon den Kaufpreis für das Gut bezahlte. Friedrich von Redecker verkaufte daraufhin Pustnik und Bothen, um Eichmedien zurückzuerwerben.
Den Wald verkaufte er an die Stadt Rastenburg. Das Restkaufgeld von Pustnik und Bothen wurde ihm nicht vereinbarungsgemäß gezahlt.
Viehseuchen, ein Scheunenbrand, die schlechte Wirtschaftslage nach dem ersten Weltkrieg, die zu Massenversteigerungen führte, seine Wirtschaftsweise führten ihn 1930 zum Zwangsverkauf. Die Stadtväter von Rastenburg hatten den Eichmedier Wald zwar gekauft, aber die Stadt nicht in das Grundbuch als Eigentümer eintragen lassen, so daß bei der Zwangsversteigerung der Wald nach dem Gesetz wieder zu Eichmedien gehörte.
Paul Gerhard Goertz, Pächter der Domäne Langenau, Kreis Rosenberg, Westpr. wurde im August 1930 der Nachfolger von Friedrich von Redecker. Die "Bank der Ostpreußischen Landschaft" als erste Hypothekengläuberin verkaufte das Gut am 21.8.1930 , da Friedrich von Redecker keine Möglichkeit hatte, es zu erhalten.
Gleichzeitig kam auch Gisbertshof (Konrad Hermenau) am 23.8.1930 zur Versteigerung, der es aber mit geborgtem Gelde zurücksteigerte und im Februar 1931 zum 2.Male mit noch größeren Verlusten verlor. Der Eichmedier Vorbesitzer Friedrich von Redecker erhielt einen lebenslänglichen Anstellungsvertrag als Gutsverwalter mit seiner Ehefrau als Hausdame für uns und mit seinem Sohn als kündbarem Inspektor und für diesen ein bedingtes Rückkaufsrecht.
Später erhielt sein Sohn Eberhard die Erlaubnis zu heiraten, eine sogenannte "verheiratete Stelle" mit Wohnung auf dem Hauptgut im Schloss.
Friedrich wurde immer kränker und erhielt als Wohnsitz Gisbertshof.
Nach seinem Tode 1942 bezogen wir selbst Gisbertshof, und die alte Frau von Redecker wurde wieder unsere Hausdame. Eberhard von Redecker trat nach dem Tode seines Vaters am 18.7.1942 in dessen Anstellungsvertrag ein, der am 29.3.1944 beendet wurde (durch fristlose Entlassung). Paul Gerhard Goertz, ein leidenschaftlicher Ackerbauer, dem es stets darum ging, 2 Ähren wachsen zu sehen, wo bisher eine wuchs, hat das Gut durch seine andersartige Wirtschaftsweise schlagartig verändert und dadurch die Erträge vervielfacht. Er hat die vielen versauerten Dauerweiden systematisch umgebrochen, Ackerweiden eingerichtet, den Ackerbau intensiviert, das Vielfache an Zuckerrüben angebaut, - Eichmedien liegt 12 km von Rastenburg mit seiner Zuckerfabrik -, sehr viel Raps, Getreide, Klee, Zwischenfrucht gebaut. Es wurde ein ständiger Drainierer mit Hilfskräften beschäftigt, und durch Entwässerung der Boden verbessert. Es wurde mit viel Aufwand neu drainiert und die Vorflut - die Guber - vertieft und begradigt auf eine Länge von 4500 Meter, wobei Wiesenbaumeister Wachtel beratend half.
Der durch Kahlschlag abgeholzte Wald wurde neu angepflanzt, andrerseits wurden 200 Morgen guter Waldbodenfläche (z.B. Fuchsberg im Lindschen Wald) kultiviert und zu Ackerland gemacht, dadurch u.a. das von Friedrich von Redecker neugebaute Vorwerk Sprind zu dessen großer Freude vergrößert, - auch baulich, eine feste Steinchaussee vom Hauptgut nach Gisbertshof wurde in einer Länge von 2000 m gebaut, 5 Häuser für 12 Landarbeiterfamilien wurden neu gebaut, 3 Häuser für 12 Landarbeiterfamilien wurden umgebaut. Die Schafherde, die mit 200 Köpfen Schwarznasen übernommen war, wurde vermehrt und zu einer Stammherde aufgezogen, auch mit Merino-Schafen als Mitglied des Landesverbandes Ostpreußischer Schafzüchter. Es wurden Stammböcke und Bauernböcke verkauft.
Die letzte von uns mit Böcken beschickte Auktion war am 7.Februar 1943 in Königsberg. Trakehner Warmblutzucht als Mitglied der Stutbuchgesellschaft des Trakehner Verbandes war erfreulich. Letzte Zuchtstute Goertz brachte ein neues Sägegatter - 90 cm breit - aufs Gut, baute eine künstliche Trocknung mit einer täglichen Leistung von 90 Ctr. Zuckerrübenblatt-Trockengut, große Silos zum Einsäuern von Kartoffeln und Zuckerrüben-Blättern. An landwirtschaftlichen Maschinen wurden angeschafft:
1 Lanz Stahldreschmaschine mit Strohpresse, 3 Raupenschlepper je 65 PS, 1 Radschlepper 35 PS, 3 vierscharige Anhängepflüge, 4 fünfscharige für Trecker, 1 Kartoffelvorradsroder zweischarig, 4 Hackmaschinen, 2 Drillmaschinen, sowie viele andere Ackergeräte, 12 gummibereifte Ackerwagen zu 4 Tonnen, 2 Zapfwellenbindemäher. Die Hebung der Guberwiesen wurde sehr angestrebt. Nach der Regulierung der Guber wurden die versumpften Guberwiesen umgebrochen und beackert. Bald wogten hohe Hanffelder und Getreide an ihrer Stelle, die uns unvergeßlich sind.
Nach den letzten Nachrichten von Weihnachten 1958 sollen die Drainagen und die Guber verfallen sein, und unsere Guberwiesen stehen unter Wasser, ebenso verschiedene Äcker. "Die ganze Wirtschaft sieht verfallen und unordentlich aus", hat man uns von mehreren Seiten berichtet, trotzdem drei neue Häuser gebaut sind, wovon das eine ein Sommerhaus sein soll, in das niemand einziehen will. Als wir 1945 das Gut verlassen mußten, ahnten wir nicht, daß es eine vollkommene Vertreibung werden würde. Mein Ehemann Paul Gerhard Goertz teilte das Schicksal seiner drei in Rußland gefallenen Söhne Friedrich, Günter und Otto.
Literatur:
Stammfolge Goertz aus Gr.Lubin und Kommerau bei Gruppe, Westpreussen, in: Deutsches Geschlechterbuch, Band 133, C.A.Starke: Limburg 1964, Seite 261 - 266.
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